Coda: Abschweifen

Die Geschichte hinter dem Restaurant

Zuletzt habe ich von mehreren hochgeschätzten Kulinaristen, u. a. Eric Vildgaard vom Jordnaer in Kopenhagen, immer wieder einen Tipp erhalten, der sich passender Weise mit meinem weißen Fleck auf der Berliner Sterne-Karte überschneidet: das Coda in Kreuzkölln.

Hier wirkt René Frank - zusammen mit Restaurantdesigner Oliver Bischoff - und setzt konsequent auf eine reine Abfolge an Desserts, wobei er an diese Gänge rangeht wie andere Spitzenköche an Vorspeisen und Hauptgerichte. Also kein “Skippen des herzhaften Parts und direkt zum Nachtisch”, sondern eine kuratierte Folge von komplexen Dessertgerichten, bei denen Süße und Umami nie von raffiniertem Zucker, künstlichen Aromen oder unseriösen Zusatzstoffen, sondern aus den natürlichen Produkten kommen.

Der gebürtige Allgäuer Frank hat Koch gelernt und sich sein Pâtisserie-Knowhow bei Alain Ducasse geholt. Er arbeitete in mehreren japanischen Restaurants, unter anderem im Ryugin in Tokio und im Kikunoi in Kyoto, die zu den besten Asiens gehören. Sechs Jahre lang war er Chef-Pâtissier bei Thomas Bühner im (2018 geschlossenen) Dreisterner La Vie in Osnabrück. Dann eröffnete er das Coda und erhielt 2019 einen Stern. Der zweite folgte bereits 2020. 2022 erhielt Frank dann die Auszeichnung zum „World’s Best Pastry Chef“, die ihn weltweit bekannt machte - siehe die obigen Tipps aus dem Ausland. Einige aus diesem Kreis prognostizieren übrigens gar den dritten Stern in Kürze.

Die Erfahrung

Wer nun - wie ich - entweder einen die süßen Seiten des Lebens auch in der Inneneinrichtung betonenden Gourmet-Tempel oder eine berlinesk-stylishe Anti-Establishment-Einrichtung erwartet, wird enttäuscht: es ist diesbezüglich weder Fisch noch Fleisch, sondern hat den Charme einer mittelcoolen Bar am Prenzlauer Berg. Auch riecht es unangenehm und der Tisch klebt an manchen Stellen.

Dafür ist die Begrüßung durchs engagierte Team locker und angenehm. Den ganzen Abend über begleiten die Servicekräfte charmant und zugewandt, locker aber trotzdem sehr professionell und kompetent. Frank selbst lässt sich nicht blicken, ist aber augenscheinlich an dem Abend auch nicht im Restaurant. Man wird in die Küche eingeladen und bestaunt u. a. die Zubereitung eigener Schokolade.

Das Getränkeangebot ist ist mit wenigen Ausnahmen sehr gut; auffallend ist, dass man auf Rotweine verzichtet und v. a., dass zu fast jedem Gericht ein Begleitgetränk konzipiert ist, das unabhängig von einer möglichen Getränkebegleitung serviert wird. Das ist ein hochorigineller Gedanke und macht in seiner Ausführung Spaß. Auch ist ersichtlich, dass hier echte Matches erarbeitet wurden. Ein klares Plus, gerade mit Blick auf die eigentlichen Gerichte.

Diese sind nämlich - mit expliziten Ausnahmen - nur mäßig geschmackvoll. Klar, Gelbe-Beete-Gummibärchen, ein Käse-Karamell-Donut, eine Raclettewaffel, Deichkäsetarte und Wagyu Fudge kommen witzig daher, erreichen aber im Schnitt nur knapp über 7 in meiner Wertung. Einige Gerichte sehe ich nicht auf Sterneniveau. Eine göttliche Buttercreme (9) und das signature dish Caviar Popsicle - ein Eis am Stiel - (8,5) sowie gegrillter Pfirsich (8,5) kurbeln wieder an. Die Schokolade ist übrigens für den Aufwand, der bei der Produktion und beim Bewerben betrieben wird, eher underwhelming (7).

Insgesamt bin ich froh, das Coda mal erlebt zu haben, und kann mit Blick auf die kreativen Einfälle, den Service und die Getränke einiges Positives erzählen. Die Küche selbst ist indes qualitativ zu inkonsistent. Außerdem hat eine klassische Menüfolge mit (herzhaften) Vorspeisen, Hauptspeise und (süßen) Desserts halt doch was für sich - wenngleich es schön gewesen wäre, hätte das Coda diese Haltung Lügen gestraft.

Hat es aber nicht.

Fazit

Ambiente 6

Service 8,5

Getränke 8,5

Essen 7,4


Gesamteindruck 7,6

Was die anderen sagen

Neben den Jungs und Mädels aus der Szene (s. o.) haben viele Blogger das Restaurant bereits besucht. Ein Auszug:

Die Sternefresser sind äußerst enthusiastisch.

Auch die Gourveggis sind sehr angetan und vergeben 10/10 Punkten.

Bei how-to-gourmet wird von sensationellem Essen (9/10) gesprochen.

Die Tischnotizen stimmen in die Lobeshymnen ein.

Das Fazit von Bernd Grill entspricht meinem Eindruck.

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Frühjahrsnotiz