Komu: An der Quelle

Die Geschichte hinter dem Restaurant

Küchenchef Christoph Kunz war in der Münchner Fine-Dining-Szene wahrlich kein Unbekannter, als er 2023 sein eigenes Restaurant Komu eröffnete. Nach der Ausbildung und Stationen bei Alain Ducasse, im Vendome und Schloss Schauenstein begann er 2014 als Sous Chef im Alois in der bayrischen Hauptstadt. Nach vier Jahren stieg er zum Küchenchef auf und hatte einen erheblichen Einfluss darauf, dass sich das Alois derart fest in der Münchner Szene verankerte (und München interessant blieb an der Fine-Dining-Spitze Deutschlands). Nach einer viermonatigen Pop-up-Phase machte er dann 2023 das Komu in der Hackenstraße auf.

Seitdem hagelt es Auszeichnungen und Lob. Der zweite Stern wurde 2024 verliehen; Kunz selbst wurde schon davor mehrfach als “Aufsteiger des Jahres” bzw. “junges Talent” geehrt. Auch Tim Raue hat sich in seiner TV-Serie Star Kitchen des Komu “angenommen”, obwohl das wohl eher Showspektakel denn dringend erforderliche Nachhilfe war. Heute lockt das Restaurant jedenfalls als must-do in der deutschen Schlemmermetropole.

Die Erfahrung

An einem der ersten spürbaren Herbsttage und ersten Wiesn-Tage des Jahres stehe ich abends vor dem Komu. Große Fensterfronten - man blickt problemlos hinein (und auch hinaus). Dann betritt man zunächst einen Vorraum, in dem die Mäntel übernommen und erste Absprachen getätigt werden. Das mittelkleine Restaurant lässt sich auf einer Rundtour durch einen Bereich mit direktem Zugang zur Küche und den eigentlichen Speisebereich mit knapp einem Dutzend Tischen, die an diesem Abend mit einer Ausnahme nur von AmerikanerInnen und AsiatInnen besetzt sind, begehen. Wo ist nur die einheimische Klientel? Naja, auf dem Oktoberfest natürlich, da machen die Bayern keine Kompromisse. Das Restaurant ist in hellem Holz und erdenen Tönen gehalten und wirkt skandinavisch modern und zugleich gemütlich. Vor der Küche bzw. Anrichte ist auch ein Chef’s Table mit vier Plätzen, der einerseits den totalen Überblick über sämtliche Zubereitungsschritte bietet, einen andererseits stets wissen lässt, was wann folgt bzw. dass eine längere Pause ansteht, was dem ganzen meiner persönlichen Meinung nach ein wenig Zauber nimmt.

Zuvor verbleibt man indes für den Aperitif und die ersten Amuse-Bouche im Vorraum, was dem Konzept huldigt, das Erlebnis durch Mobilität zu steigern, hier aber eher etwas bemüht wirkt - auch weil sich kein Gemeinschaftsgefühl unter den Gästen einstellen will (bzw. kann). Und bei gut gelaunten Amis will das was heißen.
Zum Aperitif nehme ich einen Rosé-Champagner von Lallier, der bei prägnanter Frucht meine Ansprüche an Trockenheit und Feinheit erfüllt und damit einen schönen Startpunkt bildet.

Es kommt eine Tartelette mit Lotuswurzelmarmelade und Lachskaviar, spannend durch die Lotuswurzel und mit schönem Kontrast durch den Lachs (8,5). Dann folgt eine Knusperrrolle mit Rettichcreme innen und fein geschnittenem Rettich on top. Wenn Rettich immer so frisch und intensiv schmeckte, dürfte sich der problematische Ruf des Gemüses bei Minderjährigen rasch verflüchtigen. Die Cremigkeit und die zugegebene Aprikose sorgen für ein komplexes Geschmacksbild (9). Dann geht es zum Platz, in meinem Fall dem Sitz am Chef’s Table, von dem aus man nun wirklich alle Ecken der Küche überblicken kann. Hier folgen zwei weitere Amuse-Bouche: eine Komposition von Auster, Buchweizen und Rhabarber - sehr originell, aber der Buchweizen ist (mir) eine Spur zu dominant und insbesondere von der Auster hätte ich gern mehr geschmeckt (7,5). Als Abschluss des Eingangstaktes kommt nun ein signature dish von Christoph Kunz, das er auch schon im Alois zubereitet hat: eine Popcorncreme mit brauner Butter, grünem Apfel und N25-Kaviar on top. Hieran scheiden sich bei den Food Bloggern die Geister: Während einige das Gericht für überbewertet, zu süß oder halbherzig halten, liebe ich die Textur und die Kombi aus (gar nicht so süßer) Kindheitserinnerung und der großartigen Salzigkeit des Kaviars (10). Ins Glas kommt ein weißer Wermut von Apros aus Baden, der Laune macht.

Los geht's mit dem schriftlich fixierten Menü - 8 Gänge ohne Ergänzungsmöglichkeiten oder Schnickschnack. Das Komu hat an einigen Tagen auch mittags geöffnet und bietet dann nur vier Gänge an - für den vollen Genuss sollte man also für den Abend reservieren. Die Getränkekarte ist derweil überschaubar, fair bepreist (für München) und weist durchaus interessante Positionen auf, wenn man sich angesichts der reichlich verwirrenden Sortierung (ich glaube nach Rebsorten, bin mir aber am Ende des Abends immer noch nicht hundertprozentig sicher) zurechtgefunden hat.

Der Schwertfisch mit weißer Johannisbeere, Arganöl und erneut hochwertigem Kaviar ist herausragend zubereitet und angerichtet (9). Dann folgt ein weiteres Highlight, verpackt als Brotzwischengang: eine Briocheschnecke mit Nussbutter gebacken, dazu eine Frischkäsezubereitung mit den sieben Kräutern der Frankfurter Soße plus Liebstöckel und Estragon. Auf die französische Butter daneben hätte man verzichten können, doch auch sie ist exzellent. Die Schnecke liegt auf selbstgemachten Smacks (oder wie auch immer man die als Kellogg's-Produkt bekannten Gebilde nennen mag). Bald stelle ich fest, dass es ein Hochgenuss ist, zu jedem Löffel Frischkäse ein paar Smacks dazuzunehmen und im Optimalfall crunchige Smacks, kräuterige Creme und buttrig-weiche Brioche im Mund zu vereinen. Was für ein Glücksgefühl (10). Auch der nachfolgende Gang weiß zu begeistern. Es handelt sich um Artischocke in feinen Streifen, vor meinen Augen in einer berserkerartigen Aktion mit Bienenwachs, Buttermilch und Perigord-Trüffel vermengt, alles optimal (lauwarm) temperiert (9). Dazu kommt ein spanischer Weißwein aus der Xarello-Traube, der Feinheit mit Würzigkeit vereint.

Der Mittelteil beginnt mit Seeteufel, Palmherz und Jasmin, eher unspektakulär (7,5). Dann folgt der einzige echte Fleischgang, eine Scheibe Poltinger Lamm mit Zitrone, Liebstöckel und gelber Beete. Das Lamm ist handwerklich perfekt und es gelingt geschmacklich der Akt, den Eigengeschmack prononciert und trotzdem dezent zu halten, so dass es nur Lamm sein kann und gleichwohl die anderen Zutaten schön interagieren (8,5). Der Hauptteil schließt interessanter Weise mit Fisch, hier einem Zander mit Lardo, Beurre Blanc, Grapefruit und gelber Bohne, der mir persönlich etwas unnötig anmutet (7,5). Zum nächsten Gang, einem Soumaintrain-Käse aus Frankreich mit roter Bete, Shiso und Physalis kommt der darin verarbeitete rote Wermut von Apros auf den Tisch. Ich staune: bayrische Spitzenrestaurants scheinen es zu lieben, Käse mit anderen Zutaten zu einem Gericht sui generis zu vermengen. Hier ist es besser gelungen als zuletzt in der Es:senz, aber ich ziehe den klassischen Käsewagen (für den hier laut Sommelière nachvollziehbarer Weise keine Personalressourcen zur Verfügung stehen) vor (7,5).

Wir sind beim Predessert: Apfel, Ingwer, Nori, auch wieder ein bisschen Kindheitserinnerung (Apfelringe) und sehr gelungen (8). Der eigentliche Nachtisch ist eine komplexe und harmonische Komposition aus Pflaume, Pistazie und Rose, die definitiv zu den besten Desserts gehört, die ich dieses Jahr gegessen habe (9). Die Petit Fours - ein Preiselbeereis, eine lang nachhallende Nusspraline und ein Trüffel aus feiner Buttercreme und weißer Schokolade - halten das hohe Niveau (8,5). Bei mir macht ein Rochelt Gravensteiner Apfel dann den Abschluss, der einmal mehr beweist, dass Rochelt im Bereich Edelbrand das unbestrittene Maß aller Dinge ist.

So endet ein schöner Abend in stimmigem, ausgeglichenem Ambiente in einem der bayrischen Toprestaurants, dessen Besuch ich nur empfehlen kann. Das Essen sehe ich schon auf dem Weg zum dritten Stern, auch wenn hier noch die letzten (schwersten) Anstrengungen unternommen werden müssen. Dann sollte man auch überlegen, das Team aufzustocken. Zwar ist es beeindruckend, wie die Sommelière und ein (!) Mitarbeiter - partiell unterstützt von den KöchInnen - alle Gäste bedienen. Das geht nur, wenn Professionalität auf Erfahrung und gute logistische Planung/Organisation trifft. Aber den herzlichen Rundumservice erreicht man so dann halt (noch) nicht.

Nach Verlassen des Restaurants laufe ich vielen gut Gelaunten über den Weg, die von der Theresienwiese kommen. Beim bekennenden Oktoberfestfan würde jetzt normalerweise Wehmut aufkommen. Heute kann ich derartige Gefühle bändigen und bin sehr froh, an anderer Stelle gewesen zu sein.

Fazit
Ambiente 8
Service 7
Getränke 7,5
Essen 8,6

Gesamtbewertung 7,9

Was die anderen sagen

Julien Walther schreibt auf troisetoiles

“Die Küche im Komu erfindet nichts neu ‒ im Gegenteil, man schmeckt das klassisch französische Fundament mit hervorragenden Produkten und souverän reduzierten Zubereitungen. Dass man hier nicht in einer Experimentierküche sitzt, die sich selbst zelebriert, ist auch in hohem Maße fördernd für den Genuss und die Stimmung im Restaurant.” und vergibt 8/10 Punkten.

Auf Tischnotizen.de steht

“In meinen Notizen finden sich zu nahezu jedem Gang Beschreibungen wie fein und elegant. Und genau das kennzeichnet für mich das gesamte Menü, beginnend bei den Grüßen und endend mit den Petits Fours. Christoph Kunz haut nicht die laute Pauke und will auch nicht mit wilden Kombinationen verstören, sondern er kreiert Gerichte, die ganz auf Harmonie angelegt sind. Meistens aromenstark, manchmal mit eher subtilen Tönen – aber immer überzeugend. Damit unterstreicht diese Küche auch, was das ganze Restaurant mit seinem hellen Ambiente vermittelt. Und auch der durchweg herzliche Service macht den Abend hier zu einem Vergnügen. Das gilt auch für Maximiliane Lemli, die als Sommelière eine Karte verantwortet, die für Münchner Verhältnisse erfreulich moderat kalkuliert ist. Christoph Kunz selbst ist nicht nur in der Küche präsent, sondern nimmt auch seine Rolle als Gastgeber souverän und offen wahr. Innerhalb weniger Monate hat er das „KOMU“ zu einem runden Konzept gestaltet, das sich zweifellos nicht nur in der Münchner Szene in der Spitze etablieren wird, sondern auch in den Bewertungen da anknüpfen wird, wo er zuletzt aufhörte.”

Bernd Grill verzeichnet

“Es muss einige Zeit her sein, dass mich ein viergängiges Mittagsmenü ähnlich zu begeistern vermochte wie dieses hier. Keine zwei Jahre nach seinem Abschied vom Alois war es Christoph Kunz gelungen, seine kulinarische Handschrift nicht nur deutlich zu schärfen, sondern auch substantiell zu verbessern. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass die offene Küche ihn regelrecht beflügelte und ihn die Gelegenheit, mit den Gästen sprechen zu können, befreite. Doch nicht nur die Person des Chefs, sondern auch sein Küchenstil wirkte auf mich noch um einiges nahbarer und durchdachter als noch vor zwei Jahren. Der mehr oder weniger konsequent eingehaltene Vorsatz, auf drei Produkte pro Teller zurückzugreifen, funktionierte meist prächtig und gestattete es der Küche dennoch, ein erfreulich hohes Maß an Kreativität und optischer Beglückung ausleben zu können, das einen nicht geringen Anteil am Erfolg dieses Lokals hat. Bei alledem wird die französische Basis nie ernsthaft verwässert, sondern eher launig und zeitgemäß interpretiert. Trotz aller Raffinesse wird hier praktisch nie auf exotische Techniken oder kurzlebige Modetrends zurückgegriffen, nur um ein vermeintlich besseres Ergebnis zu erzielen. Nein, Christoph Kunz beherrscht sein Arsenal an klassischen Techniken virtuos und weiß genau, wie er diese einsetzen muss, um das bestmögliche Resultat zu erzielen. Wenn sich doch mal außereuropäische Gewürze wie Quinoa, Amaranth oder Thaibasilikum „einschleichen“, dann wird dafür keine umständliche Rechtfertigung benötigt: der sich daraus ergebende Geschmack wirkt so natürlich, dass ihr Einsatz gar nicht erst hinterfragt werden muss. Trotz verhältnismäßig kleiner Portionen verströmen die Kreationen durchweg große kulinarische Aussagekraft, die zudem nicht mit Überraschungen geizt. Es wäre leicht, den wahren Gehalt des einen oder anderen Gangs anhand der Bilder zu unterschätzen, weil man die überaus subtilen Spitzen nicht erahnen, sondern nur schmecken kann. Das führt dazu, dass kein Teller auch nur im Ansatz beliebig, austauschbar oder vertraut wirkt – eine beachtliche Leistung im gefühlt immer konformer wirkenden Angebot so mancher Hochküche.” und vergibt 18/20 Punkten.

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