The Table: Um die Welt in Hamburg
| The Table, Hamburg *** | |
|---|---|
| Ambiente | 8,5 |
| Service | 8 |
| Getränke | 8 |
| Essen | 8,2 |
| Gesamteindruck | 8,2 |
Meine Bewertung: The Table Kevin Fehling ist ein lässig-angenehmes Restaurant, in dem man sich - am langen, geschwungenen Chef’s Table - äußerst wohlfühlt. Fehlings Menü nimmt einen mit auf eine Reise um die Welt. Die jeweiligen Geschmacksbilder appellieren mal mehr, mal weniger an unsere individuellen Prägungen. So ist das Gesamtbild einmal mehr sehr subjektiv. Meine persönliche Reise führt durch die Tufan-Senke zum Mytikas.
Die Geschichte hinter dem Restaurant
Heute geht es ins zweite Dreisternerestaurant der zweitgrößten deutschen Stadt: zu Kevin Fehlings The Table in der HafenCity. Fehling ist zweifellos einer der Shooting Stars des Landes - und das schon seit vielen Jahren. Er kommt aus dem Norden, wenn auch aus der Gegend des hier nicht uneingeschränkt geliebten anderen Stadtstaates. Dort begann er seine Ausbildung und tat seine ersten Schritte. Danach war er zwei Jahre Küchenchef eines Restaurants auf dem Kreuzfahrtschiff Europa. 2001 ließ er sich in Hamburg nieder, wo er unterschiedliche Restaurants bekochte. 2003 ging er dann zu Harald Wohlfahrt in die Schwarzwaldstube, aber nur kurz, weil es ihn wieder in den Norden zog.
2005 wurde Fehling Küchenchef im La Belle Epoque im Columbia Hotels & Resorts Travemünde. 2007 erhielt er den ersten Stern, 2011 den zweiten und 2013 den dritten - Fehling war der Senkrechtstarter schlechthin, der jüngste Dreisternekoch im nördlichsten Dreisternerestaurant der Welt (diesbezüglich hat sich bekanntlich eine Menge geändert).
2015 entschloss sich Fehling dann, sich selbständig zu machen. Er eröffnete The Table in der Hamburger HafenCity. Und siehe da: Auch sein neues Restaurant wurde direkt mit drei Sternen ausgezeichnet und hält sie seitdem.
Die Erfahrung
Ein Raum, der industrial chic und Schöpfung ausstrahlt. Die kunstvolle Einrichtung, das beruhigende Understatement, die angenehme atmosphärische Musik ziehen einen in Bann. Es gibt nur einen Tisch (counter) für 22 Personen, der sich durch den Raum schwingt. Um einen herum nimmt schickes Jetsetpublikum Platz.
Kevin Fehling bereitet in der Küche seines Restaurants The Table in Hamburg die ersten Vorspeisen zu.
Die Fassade fällt bei manchen schnell, denn einige kultivieren auch hier einen Trend, der in Deutschland (und vermutlich darüber hinaus) derzeit allgegenwärtig ist und mir - zumal im Spitzenrestaurant - Unbehagen bereitet: das rhythmische, durchaus lautstarke Hochziehen der belegten Nase - meist (aber nicht nur) von Männern erzeugt. Achtet mal drauf, das hört man derzeit überall. Ich rätsle noch, ob das mit einem unterbewussten Drang nach Aufmerksamkeit, einem steinzeitlichen Kommunikationsmuster, das wieder ausgebrochen ist, einer bestimmten Form Schnupfen oder übermäßigem Kokainkonsum zu tun hat. Hier würde ich letzteres nicht komplett ausschließen.
Anyway, die ersten Gänge kommen: Zunächst ein Umami-Baiser mit Pilzen, Ponzu, Algen und Makrelentatar. Die Makrele legt sich in den ganzen Mund und schreit “Nippon”. Sie bleibt lange, nachdem sie anfangs durch ein nadelstichartiges Zitrussäuregewitter gesprenkelt wird (8,5). Als nächstes wird ein Taco mit Tomatensalsa, Avocadocreme und Comté dargereicht. Ich schmecke eine würzige Süße, wie es sich für Mexiko gehört, und alles ist gut abgeschmeckt und nach hinten mit schönem Schmelz versehen (8). Ein Hummercocktail “Martini” kommt mit Grapefruit und Pfeffer daher. Etwas ganz Eigenes und Hochinteressantes! Der Martini gibt Bitterkeit, der Pfeffer ist schön intensiv, irgendwoher kommt Süße. Die Schaumigkeit (gibt es dieses Wort?), der edle Hummer, roter Kaviar und die richtige Dosierung Salz am Gaumen: Weltklasse (da nach hinten heraus nicht allzu lang “nur” 9). Es folgt “Ei Carbonara” mit Speck, Parmesan, Basilikum und Risoni-Nudeln. Das Basilikum dominiert die Umamibombe; das ist einfach wie perfekte Carbonara in komprimierter Form, aber bleibt nicht allzu lang am Gaumen (8).
Das “Char Siu Bun” besteht aus gedämpftem Hefeteig, Schweinebauch, Gurke, Shiso und Sesam-Mayonnaise. Da sind wir auf unserer Weltreise mal locker von Italien nach China gejettet, aber das Reich der Mitte kommt hier etwas klumpig bzw. pappig daher, und das Texturdefizit macht diesen Gang für mich zum Tiefpunkt des Menüs (7).
Von Italien geht es bei The Table Kevin Fehling mal eben nach China
Nach dem Start geht es mit Carpaccio und Tatar von der Jakobsmuschel richtig los. Auf zwei Tellern und in einem Glas wird die Jakobsmuschel von Apfel, Yuzu, Buttermilch, Kaviar und Dashi in verschiedener Ausführung (Gelee, Sauce, Shot) ergänzt. Der Shot ist würzig, aber nicht mehr; das Carpaccio ist erstaunlich unspektakulär; die Stückchen mit Kaviar sind sehr salzig; der Rest bleibt nicht am Gaumen. Trotz des auch optischen Gesamtkunstwerks fehlt mir hier die Länge und auch der intensive Geschmack (7,5). Es folgt Gänseleber, als Eis und als längliche Quader; in ähnlicher Form Kaisergranat, Ananas und Mango, mit Tamarinde, Kokosnuss und Gewürzen. Das dominante Zitronengras macht es sehr (südost)asiatisch. Der Rest reizt die geschmacklichen Möglichkeiten in keinster Weise aus - nicht lang, nicht komplex, die zweifellos hohe Qualität ist auch nicht auf Anhieb schmeckbar. Dazu kommt ein bitter-modriger Nachgeschmack. Das gab's - ohne die durchaus delikate Leber und den enttäuschenden Kaisergranat - am Mittag im Vabali besser (7).
Das Menü zieht wieder an - jetzt bewegen wir uns - zumindest was den Protagonisten des Ganges betrifft - auf die Färöer Inseln. Der Lachs kommt mit Reiscreme und Rauchaal-Dashi daher. Ein purer, sehr guter Lachs; den Rest empfinde ich als eher verzichtbar - außer der Sommerrolle, die mit frischem Gemüse gefüllt ist und an Vietnam erinnert (8). Das dazu gereichte “Pie Tee Shell” mit Aal, Wasabi, Melonen und Ingwer liefert indes dunkle Würze und Tiefe, Umami, und diesmal auch eine solide Länge (8,5).
Jetzt, da die Weltreise wieder ins Herz Europas vorstößt, gefallen mir die Gänge immer besser. Der erste Fleischhauptgang ist Wachtelbrust und -keule mit Artischocke, Lauch, Alba-Trüffel und Madeira. Zartheit pur bei der Wachtelbrust und die unterschiedlich texturierte Sauce, die insbesondere von der feinen Sherryessigcreme lebt, gefallen. Auch der Lauch und die Artischocke integrieren sich optimal ins Gesamtbild. Die Keule mit Trüffel daneben empfinde ich als sehr gut funktionierende Idee (9).
Kevin Fehling bereitet im The Table die Brust und Keule der Wachtel zu
Es folgt Rehrücken mit Walnuss-Pfeffer-Kruste und Selleriepüree, einem Apfelgebilde, Mohnkuchen und Estragonessig-Hollandaise. Ein Kartoffelschaum mit dem Rehragout wird separat serviert. Besser kann man - zumindest meiner Erfahrung nach - Reh nicht zubereiten; der Rest ergänzt originell und intensiv. Der Kartoffelschaum ist besonders anhaltend und eindringlich (9).
Der Nachtisch führt augenscheinlich nach Griechenland. So kommt - erneut auf zwei Tellern - eine Komposition aus Safranchip, Olive, Halva und Rosmarineis in Ouzo-Zitrus-Jus bzw. aus einem Halvakringel und Ziegenmilcheis. Hellenisch ausgefallen, dabei rundum stimmig und milchig - das ist klasse und auch der Ouzo passt wunderbar. Der Kringel entführt mich eher nach Mittelost; das Ziegenmilcheis dürfte in Relation etwas mehr sein, schmeckt (mir) aber unglaublich gut. Hier sehe ich eine eigene, zündende Idee; so kenne ich den Ansatz von nirgendwo. Ich bestelle das Gericht sogar nach (9).
Die Petits Fours schließen das Essen ab: Exotic Matcha Latte mit Kokos und Ananas - wie die Zutaten erwarten lassen, liefert das ein tropisches Geschmacksbild mit einer Abzweigung nach Japan (8); Tarte Tatin mit Apfel und Estragon - hier kontrastiert eine Essignote wunderbar (8,5); Macaron "Nussecke" mit Aprikose, Haselnuss und Schokolade -Marzipannoten gehen mit der gerösteten Nuss und der Creme eine süße vorweihnachtliche Kombination ein (8,5).
Auffallend ist die kleine Weinkarte, die zwar um die halbe Welt führt, aber keine (mich) aufregenden Positionen beinhaltet. So gibt es im The Table Kevin Fehling beispielsweise keinen deutschen oder österreichischen Rotwein ("keine Nachfrage"). Die Preise sind normal bis fair. Sommelier David Eitel ist indes hochkompetent und offen für den fachkundigen Austausch über seine Heimat (Markgräflerland) und vieles mehr - sehr professionell, interessiert und umgänglich. Coravin ist nicht verfügbar, aber man kann darüber reden, ob außer den wenigen Weinen der Begleitung noch was geht. Würde ich nur diese Beratungsleistung werten, lägen wir deutlich höher, aber die Auswahl auf der Karte enttäuscht mich eben doch.
Ansonsten ist der Service höflich und nett, aber ziemlich unerfahren, was sich darin äußert, dass außerhalb des einstudierten Vortrags zu den Gerichten wenige Informationen abrufbar sind. Der Chef begrüßt am Eingang; danach empfinde ich den Service oft als charmanten “Lieferservice”; in Sachen Wein muss Eitel alles selbst machen. Wenn man es jedoch als geschickte Arbeitsteilung "normaler Service hält sich dezent zurück und lässt einen in Ruhe und Sommelier/Gastgeber gibt bei Bedarf den feinfühligen Entertainer" sieht, ist das schon stimmig. Aus gegebenem Anlass noch eine Anmerkung am Rande: Die nervige maschinelle Währungsfrage bei Zahlung mit ausländischen Karten darf nicht an die KundInnen delegiert werden. Hier müssen alle Servicekräfte wissen, dass es stets besser ist, die lokale Währung auszuwählen.
Was bleibt von Kevin Fehlings The Table? Eine schöne Mischung aus innovativen und klassischen Gerichten mit hochwertigen, z. T. exotischen Zutaten, was manchmal für mich nicht aufgeht (Char Siu Bun, Lebergang) und manchmal umso mehr (Wachtel, Reh, Halva-Dessert). Vor diesem Hintergrund sehe ich keine Konstanz auf allerhöchstem Niveau. Aber nach über 10 Jahren gefühlt unantastbarer Spitzenbewertung wird schon klar, dass Fehling und sein Team noch immer Lust haben - aufs Ausprobieren, auf neue Wege, die um den ganzen Globus führen dürfen - und nicht zuletzt auf ihre Gäste. Und das ist ein für sich stehendes Qualitätsmerkmal erster Güte.
Ambiente 8,5
Service 8
Getränke 8
Essen 8,2
Gesamteindruck 8,2
Was die anderen sagen
MacClaus war kurz vor meinem Besuch da. Im Binnenvergleich unterscheiden wir uns an manchen Stellen signifikant, beim Gesamtbild kaum.
Die Kochfreunde steuern ihre Notizen bei.
Bernd Grill vergibt 19/20.
Die anderen waren länger nicht da. Exemplarisch liefert die Küchenreise Einschätzungen zum Antritt 2015.